Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten

Autorin: Becky Chambers
Erscheinungsjahr: 2014
Ausgabe: Fischer TOR 2. Auflage 2017

Zusammenfassung: Das Tunnelschiff Wayfarer, das normalerweise eher kleine Wurmlöcher von Punkt A nach Punkt B “tunnelt” um galaktischen Transit zeitnah zu ermöglichen, erhält den Millionenauftrag: Nachdem eine Allianz mit einem Clan der kriegerischen Toremi geschlossen wurde, gilt es einen neuen Tunnel zum Zentrum der Galaxis zu erschließen. Auf dem langen Weg trifft die bunt zusammengewürfelte Crew aus Menschen und Außerirdischen aller Geschlechter auf Unwegbarkeiten, während sie gleichzeitig immer mehr zur Familie werden.

Kommentar: Diesen Roman kann kein Science-Fiction-Fan ignorieren, obwohl ich es einige Jahre geschafft habe. Hauptsächlich hat mich Becky Chambers als Solarpunk Autorin interessiert, da A Psalm for the Wild-Built als der Solarpunk-Roman gehandelt wird. Ihr Debüt, das kleine Buch mit dem ungewöhnlich langen Namen, wurde ursprünglich 2012 per Kickstarter finanziert, bevor es drei Jahre später bei Hodder & Stoughton ein Zuhause fand. Für sechs Preise wurde ihr Erstling nominiert, bevor sie 2019 den Hugo-Award für die komplette Wayfarer-Serie erhielt. Vollkommen verdient.

Die Geschichte beginnt mit Rosemary Harper, die ein neues Leben auf dem klapprigen Tunnler-Schiff Wayfarer beginnen möchte, als eigens eingestellte Verwaltungsbeamtin, denn Verwaltung und Beamtentum sind in der Zukunft nicht ausgestorben. Was allerdings ausgestorben ist, sind sowohl die Erde, die nach der Klimakatastrophe von einigen Mutigen wieder aufgepäppelt wird, und unsere Zeitrechnung. Die verwendete Zeitrechnung in Standards ist mir ähnlich wie andere Sternzeiten ein Rätsel geblieben, also habe ich sie die meiste Zeit ignoriert, da sie auch eher zum Fluff gehörte und keine wirkliche Rolle spielte.

Apropos Fluff: Die Kulturen der Aliens sind so detailliert und liebevoll ausgearbeitet, dass sich andere Francises durchaus eine Scheibe abschneiden könnten. Insbesondere die Aandrisk, zu denen die Navigatorin Sissix gehört, haben mich begeistert, denn Chambers schafft es, Andersartigkeit darzustellen und gleichzeitig nachvollziehbar zu schreiben. Die Aliens sind hier fremdartig. Zum Beispiel haben Kinder keinen Wert für die echsenähnlichen Aandrisk, denn sie sind ja noch keine voll ausgewickelten Personen. Die Beschreibung der Sozialstrukturen, Familienverbände und kulturellen Vorlieben bis hin zu kulinarischen Umsetzungen in der Schiffsküche durch den Koch Dr. Koch (ja, ernsthaft, das ist kein Tippfehler), eröffnen vor dem inneren Auge eine schillernde Welt. Eine fremdartige Welt, die durchaus ihre Schattenseiten hat, aber in der alle sich bemühen, freundlich zueinander zu sein, auch wenn kulturelle Eigenheiten fremd sind.

Im Prinzip handelt es sich bei dem Roman um einen Reiseroman, denn im Zentrum stehen – wie es der Titel andeutet – die Geschehnisse an Bord der Wayfarer auf dem Weg zum Zentrum der Galaxis, um diesen Tunnel zu bohren, bzw. das Wurmloch. Die Episoden, die aus unterschiedlichen Perspektiven der Crew beschrieben werden, umfassen dabei Alltäglichkeiten, wie der Besuch eines Planeten, um Vorräte einzukaufen oder Familienbesuche. Aber auch unvorhergesehene Ereignisse, wie ein Überfall und ein Zusammenstoß mit dem Gesetz, den die Crew nicht hätte verhindern können, kommen dazu.

Am Ende der Reise ist die Rosemary Teil der Familie geworden und alle Personen der Crew noch mehr zusammengewachsen, natürlich auch durch die Ereignisse am Ende des Weges, doch hier will ich nicht Zuviel verraten.

Fazit: Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten ist für mich einer der besten Science-Fiction-Romane der letzten Jahre und in gewisser Hinsicht der beginn einer neuen Ära. Hier herrscht Gleichberechtigung und der Status Quo entspricht dem, was wir heute in unserer Gesellschaft haben sollten, ohne dass es auch nur eine Sekunde aus der Handlung hervorsticht. Die Mech hat zwei Väter, sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Ausrichtung muss nicht diskutiert werden und wer noch “speziestische” Ausdrücke verwendet, weil er so sozialisiert wurde, wird zurechtgewiesen. Andere Kulturen mögen fremdartig sein, werden aber nicht gewichtet, sondern respektiert. Das alles steckt in einer spannenden Geschichte mit vielschichtigen Charakteren. Und ja: Es handelt sich um Space Opera, daher ist es nicht die philosophischste Geschichte und auch nicht vielschichtig. Das muss dieses Buch auch nicht sein, denn es ist mitreißend geschrieben und unterhaltsam.

Techtalk: 3/5
Alienlevel: 4/5
Kitschniveau: 3/5
Zukunftsnähe: 5/5
Denkdichte: 2/5